Gedrückte Stimmung, Trauer, depressive Episode, Depression Zustände und Erkrankungen aus dem „depressiven Formenkreis“

Veröffentlicht am 02. Oktober 2022

Die Begriffe und Beschreibungen einer Gefühlslage, welche mit mindestens episodisch trauriger Stimmung und Niedergeschlagenheit einhergeht - teilweise noch weit mehr als das - lassen sich auf Anhieb schwer voneinander unterscheiden. In der Tat durchleidet allerdings jede/r Fünfte im Laufe des Lebens einmal eine Erkrankung aus dem sogenannten depressiven Formenkreis. Wir wollen aufgrund dieser Häufigkeit heute ein wenig Licht ins Dunkle bringen, zumindest was die Begrifflichkeiten anbelangt.

Bin ich gerade einfach nur mal „schlecht drauf“ oder habe ich eine Depression? Wie unterscheide ich diese Zustände in mir?

Auf die Schnelle lässt sich das oftmals gar nicht unterscheiden. Deshalb ist insbesondere bei dieser Fragestellung ein Gespräch im Rahmen einer ärztlichen Beratung nahezu unersetzlich. Leider sind psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft immer noch zu Unrecht stark stigmatisiert. Umso wichtiger ist es daher, vorerst möglichst unvoreingenommen und nicht in „Schubladen“, „Etiketten“ oder „Labels“ zu denken. Zunächst geht es um ein Herantasten und Kennenlernen dieser oftmals belastenden und einschränkenden Situationen. Prinzipiell gilt für alles, was sich in uns Menschen an Gefühlen und Empfindungen zeigt: Es steckt irgendwo ein Grund dafür dahinter. Die Suche danach kann eine Langfristige sein und bedarf professioneller ärztlicher und psychotherapeutischer, manchmal auch psychiatrischer Unterstützung. Es geht dabei um eine Suche oder ein sich Besinnen auf möglicherweise noch Unbekanntes und das, was es an Beziehungen und Dynamiken gibt, die Klärungs- und Aufklärungsbedarf haben.

Was könnte ein erster Schritt sein, im Umgang mit solchen Stimmungslagen?

An erster Stelle sei gesagt: Wenn Sie sich zu diesem Thema spontan angesprochen fühlen und den Gedanken in sich wälzen, Sie oder Ihre Angehörigen könnten von einer solchen Problematik betroffen sein, zögern Sie nicht, sich an uns zu wenden. Die allgemeinmedizinische Sprechstunde ist in vielen Fällen der erste Anlaufpunkt zur Klärung solcher Sachverhalte, insbesondere wenn die Beschwerden noch diffus sind und auch Scham möglicherweise ein Hemmschuh ist, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Wie lautet die ärztliche Definition einer Depression oder depressiven Episode?

Die Symptome einer manifesten Depression führen bei den Betroffenen zu einer schweren körperlichen und psychischen Beeinträchtigung. Um die Verdachtsdiagnose zu stellen, müssen mindestens zwei der drei sogenannten Hauptsymptome für mindestens zwei Wochen anhalten. Zu diesen Hauptsymptomen zählen erstens eine depressive, gedrückte Stimmung, zweitens Interessenverlust und/oder Freudlosigkeit und drittens eine Verminderung des Antriebs, was häufig unmittelbar mit erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung einhergeht. Begleitend können auch unspezifische Angstgefühle auftreten. Insgesamt ist die Durchführung von alltäglichen Tätigkeiten und Hobbys meist extrem eingeschränkt. Häufig liegen Überforderungsgefühle, Versagensängste oder Minderwertigkeitsgefühle vor und es kommt nach und nach zum sozialen Rückzug. Auch Konzentrationsstörungen, Schuldgefühle, pessimistische Zukunftsperspektiven, Schlafstörungen oder ein verminderter Appetit kommen vor. Nicht selten treten suizidale Gedanken auf - je nach Ausprägung ist dies ein eindeutiges Warnsignal möglichst schnell ärztliche Hilfe zur weiteren Klärung der Problematik aufzusuchen.

Gibt es auch andere Erkrankungen, die depressive Reaktionsmuster verursachen?

Ja! Eine klare Abgrenzung und Differenzierung der Symptomatik ist für die Betroffenen daher besonders relevant. Depressive Symptome sind durchaus im Rahmen anderer Erkrankungen möglich, beispielsweise bei hirnorganischen Veränderungen, bei Multipler Sklerose oder bei Suchterkrankungen. Des Weiteren können sich depressive Reaktionsmuster aufgrund chronischer Schmerzzustände oder im Rahmen einer Trauer- oder Belastungsreaktion zeigen. In jedem Fall sollte der genauen Ursache auf den Grund gegangen werden, da dies therapeutische Konsequenzen nach sich zieht.

Welche Personen sind von depressiven Erkrankungen besonders häufig betroffen?

Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis sind häufig und treten in jedem Lebensalter auf. Sowohl der Zeitpunkt der Erkrankung, als auch der Verlauf sind sehr variabel. Besonders häufig treten Depressionen bei älteren oder alleinlebenden Menschen, bei Menschen mit chronischen Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf-, Krebserkrankungen, Parkinson oder Demenzerkrankungen) und bei Suchterkrankungen auf. Mangelnde soziale Unterstützung sowie belastende Lebensereignisse können ein Risikofaktor sein. Hinsichtlich der Lebensqualität, der Wechselwirkungen mit anderen Erkrankungen sowie gesamtvolkswirtschaftlich gesehen, haben depressive Störungen in der Bevölkerung eine enorme Bedeutung. Gleichzeitig werden sie oft unterschätzt oder nicht erkannt.

Brauchen Sie Hilfe? Wohin können Sie sich wenden?

Die Behandlung depressiver Störung wird interdisziplinär von Hausärzten, Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenheilkunde, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie auch von psychotherapeutisch qualifizierten Psychologen vorgenommen. Manchmal kann sogar ein stationärer Aufenthalt notwendig sein. Die erste Anlaufstelle ist für die Patienten häufig die Hausarztpraxis. Ein ausführliches Gespräch und die Planung weiterer diagnostischer Schritte können hier im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung eingeleitet werden. Zudem erhalten Sie von uns überbrückende Hilfe und Unterstützung auf der Suche nach einem Psychotherapieplatz.

Was ist mit medikamentösen therapeutischen Optionen?

In vielen Fällen ist eine medikamentöse Therapie als Ergänzung zur Psychotherapie notwendig, sinnvoll und vor allem hilfreich. Ungefähr zwei Drittel der betroffenen Patienten sprechen ca. innerhalb der ersten zwei Wochen der Behandlung deutlich auf die Therapie an. Es gibt eine große Bandbreite an Medikamenten, so dass in den meisten Fällen ein Medikament zu finden ist, welches die individuellen Symptome und Beschwerden lindern. Die Länge der Medikation ist individuell sehr unterschiedlich und hängt maßgeblich vom Verlauf der jeweiligen Erkrankung ab. In jedem Fall wird eine Erhaltungstherapie über mindestens 4-9 Monate durchgeführt. Diese wird regelmäßig ärztlich überwacht und gegebenenfalls angepasst oder umgestellt. Änderungen der medikamentösen Therapie sollten immer ärztlich rückgesprochen werden, da es im Falle eines abrupten Absetzens zu erheblichen Rückfällen und anderen negativen Effekten kommen kann.

Wie sind die Aussichten nach Beginn einer Therapie?

Langfristig kommt es darauf an, Rückfälle zu vermeiden oder rasch abzufangen. Dies kann bei guter und zuverlässiger Zusammenarbeit häufig gelingen. Eine vertrauensvolle Begleitung durch eine professionelle Bezugsperson, sei es Hausarzt oder Therapeut, sind von großer Bedeutung. Hierfür stehen wir Ihnen zur Verfügung!

Was tun im Not- und Krisenfall?

Insbesondere bei Auftreten von Selbstmordgedanken oder Gedanken von starker Hoffnungslosigkeit, sollten Sie sich rasch Hilfe suchen und sich in Ihrer Hausarztpraxis vorstellen. Außerhalb der regulären Öffnungszeiten können Sie, unter der Telefonnummer 0911 4248550, den Krisendienst Mittelfranken erreichen. Er bietet Hilfe für Menschen in seelischen Notlagen an 365 Tagen im Jahr von 09:00 bis 24:00 Uhr.

Wie immer lautet auch hier die Devise: Zögern Sie nicht, sich bei uns im Falle von Fragen, Sorgen, Nöten oder Unklarheiten zu melden. Wir stehen Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung!

Ihr Team MVZ Renard & Kollegen

Autorin:

Dr. med. Charlotte Kinateder
Fachärztin für Allgemeinmedizin
Autorin:

DR. MED. BARBARA HAASE
FACHÄRZTIN FÜR ALLGEMEINMEDIZIN, HYPERTENSIOLOGIN (DHL)

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